Christoph Hueck (DE)
Goetheanismus bedeutet, sich den Phänomenen zuzuwenden und ihre Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu verstehen. Der goetheanistische Forscher möchte seinen Gegenstand so genau wie möglich und von so vielen Seiten wie möglich kennen lernen.
Eine erste innere Zuwendung ist das Beobachten, das in verschiedenen Intensitätsgraden ausgeführt werden kann. Es beginnt mit dem registrierenden Anschauen. Der Gegenstand wird dabei meist nur allgemein wahrgenommen und als ein bestimmter identifiziert (vgl. Erkennen allgemein). Je aufmerksamer und genauer man allerdings beobachtet, desto mehr Details werden wahrgenommen, und bei Naturgegenständen ist ihre Fülle praktisch unerschöpflich.
Die aufmerksame, konzentrierte Beobachtung ist schon eine innere Annäherung an den Gegenstand. Man macht sich sozusagen mit ihm vertraut.
Eine weitere Stufe der Annäherung ist möglich, wenn man das Wahrgenommene in der Erinnerung neu - und möglichst detailliert - entstehen lässt. Durch das innere Nachgestalten nimmt man den Gegenstand oder Natureindruck nicht nur vorstellungsmäßig und überwiegend passiv, sondern aktiv durch den eigenen Willen in sich auf. Man identifiziert sich mit ihm.
Einige Goetheanisten beschreiben das innere Nachschaffen wahrgenommener Eindrücke deshalb als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur tieferen Erkenntnis des Gegenstandes (Bockemühl 1992, van der Bie 2022).
Rudolf Steiner hat in seinem anthroposophischen Schulungsbuch "Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?" meditative Übungen beschrieben, die dieses innere Nachschaffen beinhalten und dann zu vertieften Naturerkenntnissen führen können. Es sind insgesamt sieben entsprechende Übungen. Einige von ihnen und die Erkenntnisbereiche, die sich durch sie erschließen können, sollen hier kurz geschildert werden.
Ehrfurcht/Nachklingen-lassen von Natureindrücken
Innere Ruhe/Meditation
Sprießen und Welken/"Orientierung" (verkehrte Gedanken)
Natur-Töne und -Klänge, Vorurteilsloses Zuhören/"eifriges Studium"
Stein, Pflanze und Tier/moralische Schulung, Geduld
Pflanze im Samen, Samen in der Pflanze/Selbstbeherrschung, Wahrheitssinn, Nüchternheit
Moralische Entwicklung (3:1)/menschliches Begehren & Befriedigung/Schweigsamkeit, Furchtlosigkeit
Literatur:
Bockemühl, Jochen: Erwachen an der Landschaft. Dornach 1992.
van der Bie, Guus: Wholeness in Science. Driebergen 2012.
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