Christoph Hueck (DE)
Der Arzt Friedrich Edelhäuser beschrieb die vier Elemente - Festes, Flüssiges, Luft- und Wärmeartiges - als vier Arten des Erkennens.[1] Ich referiere hier Zitate aus seinem sehr klaren Aufsatz.
Erde
"Üblicherweise leben wir im Bewusstsein in der konturierten Vorstellung, und je klarer, überschaubarer, starrer, dinglich, festgelegt und unbeweglicher eine Vorstellung ist, desto wacher und sicherer können wir sie im Bewusstsein handhaben. Diese Art der Vorstellungsbildung entspricht dem Erdelement und ist an diesem gebildet." (S. 134)
"Das Erfassen des Erdelements, der fest gefügten Körper ... lässt den Begriff selbst in die Erstarrung, in die festgefügte Form übergehen. In dieser Erstarrung der Vorstellungen ist das hellste, klarste und am besten vorstellbare Bewusstsein entwickelbar. Mit jedem Erfassen und Herausheben eines Einzeldings aus seinem Kontext als ein von Anderem abgegrenztes «Dieses» wird es betätigt." (S. 137)
Wasser
"Beim Verfolgen des Fließens und Strömens des Flüssigen und all seiner Wandlungen der Gestalt müssen die Betrachtung und die Vorstellungsbildung selbst ins «Strömen» und «sich an der Anschauung Verwandeln» kommen. Dies gelingt uns im vorstellenden Bewusstsein nur teilweise. Indem wir eine wachsende Pflanze oder ein sich entwickelndes Blatt von Stadium zu Stadium verfolgen, schaffen wir uns ein Bild vom gesetzmäßigen Zusammenhang einzelner Vorstellungen. Der Zusammenhang entgleitet leicht unserem Bewusstsein, Ankerpunkte bilden die klar konturierten einzelnen Vorstellungen der Wachstumsphasen." (S. 135)
"Zum Erfassen des Wasserelements und gleichermaßen des Lebendigen müssen die Begriffe selbst wandelbar werden, mit den Verwandlungen der Form mitgehen lernen, die den Gestaltwandel übergreifende Bewegung - die Meta-Morphose - nachvollziehen, lebendiges Wachstum und Werden nachvollziehen und erfahrbar machen, mithin selbst lebendig werden. Diese Art lebendiger Begriffsbildung wird in vielen Zusammenhängen gebraucht, erfahr- und erübbar." (S. 137)
Luft
"Noch schwieriger wird die adäquate Vorstellungsbildung beim Erfassen der Luft. ... Die (Sonnen-)lichtdurchtränkte Luft ... bleibt selbst ganz unwahrnehmbar und bildet gleichsam den «Raum» oder die «Gelegenheit», in dem und durch die die Dinge der Welt erscheinen. So besehen ist die Luft am ehesten mit der Aufmerksamkeit im Bewusstsein zu vergleichen, die alle beobachtbaren Wahrnehmungs- und Bewusstseinselemente in ihren gegenseitigen Bezügen «zur Erscheinung» bringt. Die lichtdurchtränkte Luft wird zum Möglichkeitsraum für den Erscheinungszusammenhang der Dinge." (S. 135)
"Beim Erfassen des Luftelements mit seinen Gesten des Zugänglichmachens des Wahrnehmbaren, des Erscheinungszusammenhangs im Licht, des Verdichtens und Entspannens, verliert die zugrunde liegende Begrifflichkeit selbst ihren konturierten und anschaulichen Charakter und wird zunächst zur offenen, noch ungeformten Aufmerksamkeit, die Bezüge, Charakteristika und Bewegungsdynamik, die Bekundung anderer Wesen im eigenen Bewusstsein aufzunehmen vermag. In fokussierter Aufmerksamkeit und im aufmerksamen Öffnen, in Konzentration und Meditation entspricht sie den Gesten von Verdichtung und Entspannung der Luft. Aufmerksamkeit ... wird zum eigentlichen Licht in der Wahrnehmung, zum Quell der Verstehbarkeit in der Sinneswelt, vergleichbar der sich aufklarenden Luft." (S. 138)
Wärme
"Die Wärme ... ist nicht gegenständlich, fließt und strömt auch nicht wie das Wasser, offenbart keinen Erscheinungszusammenhang wie das Licht und die Luft. Sje zieht zusammen und lässt erstarren als Kälte (bzw. Abwesenheit von Wärme) und dehnt aus, belebt und impulsiert als Wärme."(S. 136)
"In der Erfassung der Wärme als Element und nicht nur als Eigenschaft von Körpern ... oder der anderen Elemente tritt die begriffliche Seite besonders hervor. Die Wärme mit ihrer Fähigkeit, beim Erwärmen oder Abkühlen und bei den Übergängen zwischen den Elementen zu erscheinen und zu verschwinden, erlaubt keine an der Anschauung so klar konturierbare Begriffsbildung wie beim Festen, erfordert aber gleichwohl eine umso sicherere und intentional auf die Erfassung des Zusammenhangs gerichtete Begrifflichkeit." (S. 139)
"Auf der Stufe der Wärme führen die Erfahrung des wesenhaften Begriffs durch das vollständige Untertauchen der eigenen Aktivität in den Begriff [des Gegenstands] und der Mitvollzug seiner gestaltenden Inhaltlichkeit zur Erfahrung der wirklichkeitsstiftenden und wirklichkeitsgestaltenden Potenz der Begriffe und Ideen., Eigentätiges Denken und Eigenheit des Begriffs verschmelzen." (S. 140)
Zusammenfassung
"Die Begriffe wandeln sich im Durchgang durch die Elemente von der festgestellten, «definierten» zur lebendigen, fließenden, dann zur den Begriffsinhalt offenbarenden und schließlich zur initiierenden, Anfänge setzenden und wirklichkeitsstiftenden Form." (S. 141)
"Ist man bei der Wahrnehmung und Vorstellung des Erdelements ganz auf der Formseite der Begriffstätigkeit, so ist man im polaren Gegensatz dazu beim Erfassen des Wärmeelements ganz auf der formlosen Willens- und Aktivitätsseite des Begriffs, bereit, ein neues Wesen zu erfahren, und bereit, sich in eine neue, konkrete Ausformung zu ergießen." (S. 141)
"Auffällig ist, dass die Zugangsweisen und Vorstellungsbildungen der Physiker gemäß den Erfahrungen des Erdelements entwickelt sind. Kleinste feste Kügelchen, starr und nicht deformierbar gedacht, bilden die Grundlage für die Modellvorstellungen aller anderen Elemente. Hier wird die größte Klarheit und Struktur in der Vorgehensweise im Sinne der oben beschriebenen Bewusstseinsklarheit am Erdelement erreicht. Vorstellungen, Begriffsbildungen und Erkenntnisweisen, die dem Flüssigen, Gasförmigen und Wärmehaften entsprechen, finden keine Berücksichtigung. ... Eine flüssig-lebendige, eine luftförmig-atmosphärische und eine wärmeartig-intuitive und impulsierende Erkenntnisart sind für die Wissenschaft erst noch zu gewinnen." (S. 146 f.)
Literatur:
[1] Edelhäuser, Friedrich: Die vier Elemente als Veranlagung mehrdimensionalen Erkennens. In: Goetheanismus und Medizin. Dornach 2022, S. 129-160.
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